Die Folgen einer fehlerhaften Dokumentation

Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow, Kanzlei Stephan Michaelis LL.M.

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Die mit der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie eingeführte Dokumentationspflicht sollte die Möglichkeiten des Versicherungsnehmers, gegen den Versicherungsvermittler Schadensersatzansprüche infolge einer Falschberatung durchzusetzen, verbessern.

Das Beratungsprotokoll sollte dabei zu einer Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer führen. Wie diese Beweiserleichterung in der Praxis auszusehen hatte, blieb jedoch unklar.

Beweiserleichterungen gibt es in einer Vielzahl möglicher Konstellationen. Diese können sogar zu einer Umkehr der Beweislast führen. Im Ergebnis wäre dann also der Vermittler beweislastpflichtig dafür, dass er den Versicherungsnehmer richtig beraten hat. Eine solche weitreichende Rechtsfolge war nach Ansicht Vieler jedoch nur im Fall begründet, dass der Vermittler gar keine Beratungsdokumentation gefertigt hatte.

Das OLG Karlsruhe (Az.: 12 U 56/11) hatte jüngst einen Fall zu entscheiden, in dem ein lückenhaftes Protokoll gefertigt worden war. Die Parteien stritten darum, ob eine Aufklärung über die Nachteile der Kündigung eines Altersvorsorgevertrages erfolgt ist oder nicht. Die vom Vermittler gefertigte Beratungsdokumentation enthielt hierzu keine Angaben und die vorgebrachten Sachverhaltsschilderungen des Vermittlers waren wenig überzeugend. Im Ergebnis dürfte daher die Klage gegenüber dem Vermittler tatsächlich begründet gewesen sein.

Problematisch ist nur, wie das Gericht zu dieser Lösung gelangt ist. Die Richter urteilten, die „unterlassene Dokumentation begründet eine Vermutung dafür, dass die Beratung nicht erfolgt ist.“ Dies mag stimmen, wenn keine Dokumentation vorliegt, wenn Sie lediglich lückenhaft ist, dürfte diese Vermutung jedoch nicht bestehen. Eine Vermutung ist nur dann gerechtfertigt, wenn an einen bestimmten Sachverhalt ein typischer Erfolg knüpft. Dies würde übertragen auf den Bereich der Versicherungsvermittlung also bedeuten, dass sämtliche Vermittler in der Regel alle Beratungsinhalte vollständig dokumentieren. Nur dann könnte aus dem Fehlen eines bestimmten Punktes geschlussfolgert werden, dass dieser auch nicht Gegenstand des Beratungsgespräches gewesen ist.

Die Praxis sieht jedoch anders aus. Für die meisten Vermittler steht die persönliche Beratung ihrer Kunden im Vordergrund ihrer Tätigkeit. Die Dokumentation der Beratung wird nur als Pflichtaufgabe wahrgenommen. Es ist daher absolut üblich nur die wesentlichen Punkte der Beratung zu dokumentieren und das „Unwesentliche“ wegzulassen. Aufgrund des Verhaltens der Marktteilnehmer müsste also viel eher eine Vermutung für die Unvollständigkeit der Beratungsdokumentation greifen, als dass eine Vermutung für die Vollständigkeit der Dokumentation geltend könnte.

Es bleibt daher zu hoffen, dass die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 15.09.2011 ein Einzelfall bleibt. Gleichwohl dürfte die rechtliche Unsicherheit über die beweisrechtlichen Folgen einer lückenhaften Beratungsdokumentation fortbestehen.

Vermittlern ist daher zu empfehlen, das Beratungsgespräch stets möglichst umfassend und vollständig zu dokumentieren.

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