Autor: Jens Reichow (Jurist, Kanzlei Michaelis, Hamburg)
Die Novellierung des Finanzanlagenvermittlerrechts nimmt immer mehr konkrete Züge an.
Ziel ist, den Grauen Kapitalmarkt zu regulieren und den Bestimmungen im Bereich Versicherungsvermittlung und Wertpapiervermittlung anzupassen.
Inzwischen liegen sowohl ein Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts als auch eine dazugehörige Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) vor. Manche Teile der Entwürfe erscheinen jedoch noch verbesserungsbedürftig.
So verblüfft die Bestimmung des § 16 Abs.1 FinVermV-E. Diese bestimmt zunächst, dass Finanzanlagevermittler zukünftig verpflichtet sind, die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden im Bereich Finanzanlage zu erfragen. Insoweit ist die Regelung auch nicht zu beanstanden, da die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden die Grundlage der weiteren Anlageberatung sind.
Problematisch ist jedoch die Frage, was passiert, wenn der Kunde nicht bereit ist, seine Kenntnisse und Erfahrungen zu offenbaren, z.B. weil er überhaupt keine Beratung, sondern nur eine Vermittlung durch die Finanzanlagevermittler wünscht.
Hätte sich der Kunde an ein Kreditinstitut gewandt, so wäre dieser Fall unproblematisch. Hier dürfte das Kreditinstitut nach § 31 Abs.4 WpHG zwar keine Anlageberatung erbringen (diese ist ja ohnehin nicht vom Kunden gewünscht), es dürfte jedoch nach § 31 Abs.5 WpHG noch eine Vermittlung erbringen, sofern es den Kunden darauf hingewiesen hat, dass die Geeignetheit des Produktes nicht durch das Kreditinstitut geprüft werden konnte. Dies dürfte eine praktikable und angemessene Vorgehensweise sein.
Anders sieht es jedoch die zukünftige Regelung des § 16 Abs.1 S.4 FinVermV vor. Erlangt der Finanzanlagevermittler auf seine Nachfrage keine Informationen des Kunden zu dessen Kenntnissen und Erfahren, so darf auch der Finanzanlagevermittler keine Empfehlung abgeben. Anders als einem Kreditinstitut ist dem Finanzanlagevermittler darüber hinaus jedoch auch eine Vermittlung verboten. Dies gilt unabhängig von einem entsprechenden Hinweis oder ausdrücklichem Kundenwunsch.
Gründe für diese Ungleichbehandlung von Kreditinstituten und freien Finanzanlagenvermittler sind nicht ersichtlich.
Offensichtlich werden hier also zwei vergleichbare Fälle unterschiedlich geregelt, sodass Bedenken bestehen, ob die Bestimmung des § 16 Abs.1 S.4 FinVermV-E mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG vereinbar ist. Dementsprechend ist zu hoffen, dass der Verordnungsgeber diese Unstimmigkeit beseitigt und jedenfalls eine Vermittlung zulässt, obwohl der Kunden keine Angaben zu seinen Kenntnissen und Erfahrungen machen will.
Ansonsten könnte es tatsächlich bald heißen: Keine Kundenangaben = keine Vermittlung, egal was der Kunde will.