Autor: RA Michaelis LL.M (Kanzlei Michaelis, Hamburg)
Das Berufsbild des Versicherungsmakler ist bestimmt durch seine Eigenschaft als Vermittler privatrechtlichen Versicherungsschutzes. Nach § 61 Abs.1 VVG trifft ihn dabei die Pflicht zur Beratung des Kunden. In diesem Zusammenhang kommt es oft zu Berührungen mit den gesetzlichen Sozialversicherungen, sei es weil der Kunde pflichtversichert oder freiwillig versichert ist. Es stellt sich daher die Frage, ob der Versicherungsmakler seine Kunden auch inhaltlich zu seiner Sozialversicherung und über einen möglichen Wechsel von einem gesetzlichen Sozialversicherungsträger hin zu einem privaten Anbieter aufklären muss.
Sofern dies zu bejahen sein sollte, stellt sich die weiterführende Frage, ob der Versicherungsmakler den Kunden mittels eines "Sozialversicherungscheck" selbst beraten darf oder ob er damit gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen würde und er dementsprechend seinen Kunden für einen "Sozialversicherungscheck" an einen Rechtsanwalt verweisen müsste.
I. Bestehen einer Beratungspflicht
Zunächst ist zu erörtern, ob sich die Beratungspflicht des Maklers nach § 61 Abs.1 VVG auch auf die bestehenden Sozialversicherungen des Kunden erstreckt. Hierfür ist zunächst der zwischen Kunde und Makler geschlossene Maklervertrag auszulegen. Fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung, so sind die sonstigen Umstände des Vertragsschlusses hinzuzuziehen. Danach ist zu ermitteln, ob der Kunde nach den konkreten Umständen des Einzelfalles erwarten durfte, dass der Makler bei der Vermittlung der privatrechtlichen Versicherungsverträge auch bestehende Sozialversicherungen berücksichtige. Es kommt also maßgeblich auf die berechtigte Erwartung des Kunden an und ob ein Beratungsanlass für den Makler erkennbar war.
In einer Vielzahl von Fällen begegnet dem Makler ein in Versicherungsangelegenheiten unerfahrener Kunde. Dieser wendet sich an den Makler als einen in Versicherungsangelegenheiten sachkundigen Berater und Vermittler. Er will sich dabei gerade der besonderen Sachkunde des Maklers bedienen. Es ist daher von einem umfassenden Beratungsanlass auszugehen. Aus der Sicht des Maklers gilt es daher zunächst einmal die bestehenden Absicherungen des Kunden zu prüfen und dessen Wünsche und Bedürfnisse zu ermitteln.
Zur bestehenden Absicherung des Kunden gehören in erste Linie bestehende Sozialversicherungen. Diese bilden die Grundlage einer jeden Absicherung. Es ist im Folgenden daher von einem Beratungsanlass bezüglich der Sozialversicherungen auszugehen und der Makler ist verpflichtet zu ergründen, weshalb der Kunde Mitglied in den gesetzlichen Sozialversicherungen ist. Hier ist zu ermitteln, ob er pflichtversichert oder freiwillig versichert ist. Im letzteren Fall ist zusätzlich zu erforschen, ob er sich bewusst für eine Mitgliedschaft in den gesetzlichen Sozialversicherungen entschieden hat oder ob er lediglich aus Unkenntnis über mögliche Befreiungstatbestände, welche er erfüllt, oder aus mangelnder Beratung über privatrechtliche Versicherungsprodukte Mitglied der Sozialversicherung ist.
Sofern der Kunde in den gesetzlichen Sozialversicherungen pflichtversichert ist, so ist die bestehende Absicherung als Grundlage für die weitere Beratung anzunehmen. Alsdann hat der Makler den Kunden darüber zu beraten, inwieweit er bestehende Versicherungslücken in den Sozialversicherungen durch Abschluss von privatrechtlichen Versicherungen schließen kann.
Besteht keine gesetzliche Sozialversicherungspflicht, so kann der durchschnittliche Kunde erwarten, dass er hierüber in den Grundzügen der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht vom Makler beraten wird, sofern er durch den Abschluss privatrechtlicher Versicherungsverträge günstiger den gleichen oder besseren Versicherungsschutz erlangen könnte. Die Grundzüge der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme sind dabei auch Bestandteil der Ausbildung zur Erlangung der Sachkundeprüfung zur Erteilung einer Gewerbeerlaubnis nach § 34d Abs.1 GewO. Die Beratung über die Grundzüge der gesetzlichen Sozialversicherungen kann daher auch vom Kunde erwartet werden. Alsdann ist der Kunde auch im Bereich seiner gesetzlichen Sozialversicherungen nach § 61 VVG zu beraten und über die Möglichkeit einer Befreiung von der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht zu belehren und ihm geeignete Versicherungsprodukte zu privaten Vorsorge zu empfehlen.
In diesem Zusammenhang ist der Kunde stets über die Systemunterschiede zwischen gesetzlicher und privatrechtlicher Versicherung zu beraten. Insbesondere ist er auch auf etwaige Nachteile privatrechtlicher Versicherungen (Insolvenzrisiko des Versicherers, Prämienerhöhungen, Abweichungen von der Modellrechnung in der Lebensversicherung) hinzuweisen.
II. Umfang der Beratungspflicht
Fraglich ist wie tiefgehend die Beratungspflicht des Maklers im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherungen ist. Dabei dürfte zunächst der Grundsatz gelten, dass der Makler verpflichtet ist über die Grundzüge der Sozialversicherungspflicht zu beraten.
Problematisch ist, welche Umstände noch zu den Grundlagen der Sozialversicherungspflicht gehören. Grundsätzlich dürften das zunächst sämtliche Umstände sein, welche auch Bestandteil der Sachkundeprüfung nach § 34d Abs.2 Nr. 4 GewO sind. Hierunter würde z.B. das Überschreiten von monatlichen Verdienstgrenzen zur Befreiung von der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht zählen. Kommt es hingegen auf eine detaillierte und schwierige rechtliche Prüfung der Sachverhaltsumstände an, so übersteigt dies regelmäßig die vom Makler zu erwartenden Sachkenntnisse. Gilt es daher z.B. die Befreiungsmöglichkeiten von der Sozialversicherungspflicht eines geschäftsführenden Gesellschafters festzustellen, so übersteigt die erforderliche Rechtskenntnis in der Regel die Beratungsmöglichkeiten des nicht spezialisierten Maklers.
Die Beratungspflicht des Maklers dürfte die Grundzüge der Sozialversicherungspflicht nur dann übersteigen, wenn der Makler nach außen zu erkennen gegeben hat, dass er auch im Bereich der Sozialversicherungen einen umfassende Beratung schulden will. Dies tut er jedenfalls dann, wenn er den Bereich der Grundlage der Sozialversicherungspflicht verlässt und darüber hinaus gehende Auskünfte erteilt. In diesem Fall haftet er dann auch für die Richtigkeit dieser Angaben nach § 63 VVG. Dem Makler bleibt es zur eigenen Haftungsreduzierung überlassen den Kunden hinsichtlich der Beratung, welche über die Grundlagen der Sozialversicherung hinaus geht, an einen Rechtsanwalt zu verweisen.
III. Rechtsdienstleistungsgesetz
Nunmehr stellt sich jedoch die weiterführende Frage, wie der Versicherungsmakler seiner Aufklärungspflicht nachkommen muss um einer möglichen Haftung gegenüber seinen Kunden zu entgehen. Darf er seinen Kunden selbst über den Wechsel von einem Sozialversicherungsträger zu einer privaten Alternative beraten oder darf er den Kunden lediglich auf einen möglichen Wechsel aufmerksam machen, um ihn dann an einen Rechtsanwalt weiterzuleiten. Problematisch ist dies insbesondere im Anbetracht eines möglichen Verstoßes des Versicherungsmaklers gegen § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Die Tätigkeit des Maklers könnte jedoch unter den Ausnahmetatbestand des § 5 RDG fallen. Dazu müsste die Beratung des Kunden über seine Sozialversicherungen im Zusammenhang mit der Vermittlung des privatrechtlichen Versicherungsschutzes stehen und als Nebenleistung zum Berufsbild des Maklers gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.
Wie bereits oben dargelegt wurde erwartet der Kunde im Falle einer Ausschließlichkeitsberatung durch den Makler auch die Beratung hinsichtlich seiner Sozialversicherungen. Insoweit gehört die rechtliche Beratung zu den Sozialversicherungen zum typischen Tätigkeitsbild des Maklers.
Ferner ist die rechtliche Beratung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Sozialversicherungspflicht der eigentlichen Vermittlung untergeordnet bzw. vorangestellt. Die Beratung über die gesetzliche Sozialversicherung ist insoweit notwendiger Zwischenschritt bei der Vermittlung einer Krankenversicherung oder Renten- und Lebensversicherung. Hier gilt es jeweils die Versorgung durch die gesetzliche Sozialversicherung zu prüfen um danach zu beurteilen, inwieweit eine gänzliche oder zusätzliche Absicherung durch eine private Versicherung möglich ist. Dabei ist die Beratung über die gesetzliche Sozialversicherungspflicht dem eigentlichen Vermittlungsvorgang stets untergeordnet, da der Makler stets auf den eigenen Vermittlungserfolg hinarbeiten wird und die Beratung über die gesetzliche Sozialversicherung lediglich zur Bestimmung der gesetzlichen Sicherung des Kunden dient, welche dann zur weiteren Beratungsgrundlage für den Abschluss privatrechtlicher Versicherungsverträge genommen wird.
Somit fällt die Beratung über die gesetzliche Sozialversicherungspflicht unter den Ausnahmetatbestand des § 5 RDG. Der Makler ist daher berechtigt den Kunden im Bereich seiner gesetzlichen Sozialversicherungspflicht zu beraten, solange die Beratung der eigentlichen Vermittlung von privatrechtlichen Versicherungsverträgen noch untergeordnet ist.
IV. Ergebnis
Im Ergebnis bleibt nunmehr festzuhalten, dass der Versicherungsmakler zur Aufklärung eines möglichen Wechsels von einem Sozialversicherungsträger hin zu einem privaten Anbieter verpflichtet ist, wenn er durch seine Beratung beim Kunden den Eindruck vermittelt, er werde den Kunden umfassend und abschließend beraten. In diesem Fall wäre der Versicherungsmakler auch berechtigt, diese Beratung mittels eines "Sozialversicherungschecks" selbst durchzuführen. Um eine qualifizierte rechtliche Beratung des Kunden zu ermöglichen, kann er jedoch auch einen Rechtsanwalt mit der rechtlichen Beratung des Kunden beauftragen.
Sollten Sie den "Untertitel" nicht beantworten können, sollten Sie Ihren Kunden anwaltliche Hilfe empfehlen.