von RA Stephan Michaelis LL.M. Fachanwalt für Versicherungsrecht (Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Hamburg)
Viele Makler machen sich derzeit Sorgen um ihre gravierende Haftungsverantwortlichkeit. Versicherungsprodukte werden komplexer und vielschichtiger, die rechtlichen Grundlagen ändern sich fortlaufend und Untervermittler verfügen oftmals noch nicht über ausreichend Praxiserfahrung um in jeder Situation die richtige Empfehlung abzugeben. Gerade bei Abschluss eines Versicherungsvertrages kommt es durchaus zu Beratungsfehlern. Dabei wird nicht selten der Versicherungsschutz falsch dargestellt oder Antragsfragen falsch beantwortet. Lehnt der Versicherer im Schadensfall die Leistung, wegen eines Ausschluss vom Versicherungsschutzes oder einer falsch beantworteten Antragsfrage ab, stellt sich u. a. die Frage der Haftung des Maklers?
Der Versicherungsschutz des Kunden und die Verpflichtung zur umfangreichen und richtigen Beantwortung der Antragsfragen ergibt sich aus den Versicherungsbedingungen bzw. den Antragsinformationen. Es stellt sich daher die Frage, ob sich der Makler im Falle einer Inanspruchnahme durch den Kunden auf die richtige Information durch den Versicherer in der Form berufen kann, dass der Kunde mithin grob fahrlässige Unkenntnis von der Pflichtverletzung des Maklers nach § 199 Abs.1 Nr.2 BGB hatte und damit der Anspruch möglicherweise verjährt ist.
Für den Beginn der Verjährung müsste zunächst der Schadensersatzanspruch des Kunden bestehen. Hierzu müsste neben eines Beratungsfehlers des Maklers als Pflichtverletzung auch ein kausaler Schaden bestehen. Fraglich ist, ob dieser bereits bei der Vermittlung eines ungeeigneten Versicherungsproduktes besteht oder erst im Falle einer Leistungsablehnung des Versicherers im Versicherungsfall.
Die Leistung des Versicherers besteht nicht nur mit der Zahlung im Versicherungsfall. Vielmehr ist bereits die Übernahme des Risikos durch den Versicherer als dessen Leistung zu betrachten. Somit erhält der Kunde bei der Vermittlung nicht geeigneten Versicherungsschutzes ein mangelhaftes Produkt. Ihm dürfte daher bereits in diesem Zeitpunkt ein Schaden entstanden sein, welcher lediglich erst bei der erfolglosen Geltendmachung der Versicherungsleistung zum Vorschein tritt.
Nach §§ 195, 199 Abs.1 BGB verjähren Ansprüche 3 Jahre nachdem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsinhaber Kenntnis von der Person des Schuldners und den anspruchsbegründenden Umständen – mithin der Beratungspflichtverletzung des Maklers und dem Schaden – erlangt hat. Liest der Kunde die Versicherungsbedingungen nicht, so erhält er keine Kenntnis von dem Umstand, dass der tatsächliche Versicherungsschutz nicht mit dem vom Makler „versprochenen“ Versicherungsschutz übereinstimmt. In diesem Fall erhält er erst mit der Leistungsablehnung des Versicherers Kenntnis. Die 3-jährige Verjährungsfrist könnte daher erst mit der Leistungsablehnung des Versicherers beginnen.
§ 199 Abs.1 Nr.2 BGB stellt die grob fahrlässige Unkenntnis der positiven Kenntnis gleich. Der Anspruchsinhaber soll sich der Verjährung nicht dadurch entziehen, dass er sich bewusst der Kenntnis verschließt. Fraglich ist nunmehr, ob sich der Kunde eines Maklers, indem er die ihm übermittelten Versicherungsbedingungen nicht liest, sich der Kenntnis verschließt.
Der Kunde verschließt sich auch der Kenntnis, wenn er auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten nicht nutzt (OLG Frankfurt/M Urteil vom 14.01.2008, Az.: 18 U 28/07). Ob hierunter auch der Fall fällt, dass der Kunde eines Versicherungsvermittlers die Versicherungsbedingungen nicht liest, wurde bislang noch nicht richterlich entschieden. Es liegen jedoch bereits mehrere Entscheidungen auf OLG-Ebene zur Kenntnisnahme eines Anlageprospekt im Kapitalanlagebereich vor.
Das OLG Celle entschied in seinem Urteil vom 08.01.2009 (Az.: 11 U 70/08), dass ein Anleger dann grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs.1 Nr.2 BGB handele, wenn er den Anlageprospekt nicht daraufhin durchsieht, ob die mündlichen Angaben des Vermittlers zutreffen, sofern er vor dem abschließenden Beratungsgespräch ausreichend Zeit hatte den Anlageprospekt durchzusehen.
Das OLG Köln entschied mit Urteil vom 22.10.2008 (Az.: 13 U 10/08), dass ein Anleger grob fahrlässig im Sinne von § 199 Abs.1 Nr.2 BGB handele, wenn er den ihm übergebenen Anlageprospekt nicht zeitnah nach der Übermittlung hinsichtlich Abweichungen von den mündlichen Angaben des Vermittlers durchsehe. Eine entsprechende Pflicht im oder während des Verkaufsgespräches wurde vom OLG Celle im oben genannten Urteil noch verneint.
Problematisch ist, inwieweit die oben genannten Rechtsauffassungen auf den Versicherungsmakler übertragen werden können. Dazu müsste eine vergleichbare Interessenslage bestehen.
Sowohl Anlageprospekte als auch Versicherungsbedingungen gelten der Information des Kunden. Beides sind die Grundlagen des zugrunde liegenden Versicherungs-/Investitions-vertrages. Als solches dienen beide Dokumente der Beschreibung des vom Kunden gekauften Produkts.
Gemäß § 7 VVG ist der Versicherer verpflichtet dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abschluss des Versicherungsvertrages die Vertragsbestimmungen zu übermitteln. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber gerade geschaffen damit der Kunde sich vor Abschluss des Versicherungsvertrages Kenntnis über den Inhalt des Versicherungsvertrages verschaffen kann. Er erhält darüber hinaus ausreichend Zeit („rechtszeitig“) um die Vertragsbestimmungen zur Kenntnis zu nehmen. Der Kunde bekommt die Informationen damit quasi auf dem Präsentierteller geliefert und braucht nur noch „zugreifen“. Nutzt er diese Möglichkeit zur Kenntniserlangung nicht, so handelt er grob fahrlässig. Der Rechtsgedanke des Urteils des OLG Celle vom 08.01.2009 sind insoweit entsprechend auf die Übergabe der Vertragsbestimmungen anzuwenden.
Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass jedenfalls, wenn der Versicherungsvermittler die Vertragsbestimmungen nach § 7 VVG rechtzeitig vor Abschluss des Versicherungsvertrages an den Kunden übermittelt, der Kunde im Falle der Nichtkenntnisnahme grob fahrlässige Unkenntnis vom Inhalt des Versicherungsvertrages hat. Dementsprechend könnten Ansprüche gegen den Vermittler aus § 63 VVG entsprechend §§ 195, 199 Abs.1 Nr.2 BGB nach 3 Jahren nach Antragsstellung zum Schluss des Kalenderjahres verjähren. Ein Verjährungsbeginn würde nicht erst im „Schadenfall“ anzunehmen sein. Gleichwohl bleibt es eine spannende und schwierige Rechtsfrage, welche stets genau zu prüfen wäre. Im Zweifel ist immer die Einrede der Verjährung zu erheben.